Reductio ad Hitlerum: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''reductio ad Hitlerum''' (lateinisch „Rückführung auf Hitler“) wird ein vermeidbarer, jedoch rhetorisch oft eingesetzter Fehlschluss bezeichnet: Eine Ansicht soll dadurch widerlegt werden, dass diese von einer moralisch unhaltbaren Person, insbesondere von Adolf Hitler, geteilt wird. Die Bezeichnung und Beschreibung gehen auf [[Leo Strauss]] zurück. In der rhetorischen Praxis wird dies fälschlich wie eine reductio ad absurdum behandelt. Eine verwandte, allgemeinere Form ist die association fallacy.
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[[File:Hitler portrait crop.jpg|thumb|Adolf Hitler (1889–1945) in 1938]]
Die '''{{lang|la|Reductio ad Hitlerum}}''' (lateinisch für "Reduktion auf Hitler"), auch bekannt als '''die Nazi-Karte spielen''', ist ein Versuch, das Argument eines anderen mit der Begründung zu entkräften, dass dieselbe Idee von Adolf Hitler oder der Nazipartei gefördert oder praktiziert wurde. Argumente können als {{lang|la|reductio ad Hitlerum}} bezeichnet werden, wenn sie irreführend sind (z. B. die Behauptung, dass jeder, der Fleisch isst oder raucht, ein Nazi ist, weil Hitler dies nicht getan hat). Im Gegensatz dazu fallen einfache Argumente, die spezifisch faschistische Komponenten des Nationalsozialismus kritisieren, wie das ''Führerprinzip'', nicht unter den Assoziationsirrtum.


== Einordnung ==
Der {{lang|la|reductio ad Hitlerum}} wurde 1953 von [[Leo Strauss]] erfunden und hat seinen Namen von dem in der Logik verwendeten Begriff {{lang|la|reductio ad absurdum}} ("Reduktion auf das Absurde"). Nach Strauss ist {{lang|la|reductio ad Hitlerum}} eine Art von {{lang|la|ad hominem}}, {{lang|la|ad misericordiam}} oder ein Irrelevanztrugschluss. Die vorgeschlagene Begründung ist die einer Schuld durch Assoziation. Es handelt sich um eine Taktik, die häufig verwendet wird, um Argumente zu entgleisen, da solche Vergleiche dazu neigen, den Gegner abzulenken und zu verärgern.
Der zugrunde liegende Fehlschluss ist ein Spezialfall des ''non sequitur'' (lat. „es folgt nicht“). Im Englischen wird er auch als ''guilt by association'' (Schuld durch Zugehörigkeit) oder allgemeiner als ''association fallacy'' (Assoziationsfehlschluss) bezeichnet. Die Herleitung geschieht wie folgt:
{{Schlusstabelle|P1=Adolf Hitler ist schlecht.|P2=Adolf Hitler vertritt die Ansicht ''X''.|S=<s>daher:</s>|K=Ansicht ''X'' ist falsch.}}
Die ersten beiden Aussagen können für sich genommen wahr sein. Die Schlussfolgerung ist dennoch ungültig, da auf etwas geschlossen wird, das sich ''nicht'' logisch zwingend aus den Prämissen herleiten lässt. Dazu wäre eine still getroffene Annahme nötig: „Die Gültigkeit von Aussagen ist davon abhängig, welchen moralischen Status die Person, die sie trifft, besitzt.Es handelt sich dabei um einen Spezialfall der Umkehrung des Autoritätsarguments. Dieses behauptet, dass Sätze dann glaubwürdiger sind, wenn jemand mit positivem Status (wie ein Experte, moralisches Vorbild etc.) sie vertritt, logisch zwingend ist das aber nicht. Zudem verlangt das Autoritätsargument einen besonderen Status in der Sache, also bezüglich des Inhalts der Aussage. Aber auch wenn die Aussage mit den Gründen, aus denen Hitler als moralisch verwerfliche Person zu verstehen ist, zusammenhängt, bietet die ''reductio'' im besten Fall einen Grund zum Zweifel an der Aussage, sie erlaubt aber keinen logisch zwingenden Schluss auf ihre Falschheit. Die Falsifikation einer Aussage mithilfe der ''reductio ad Hitlerum'' ist aus diesem Grund unzulässig.


Wird mit der ''reductio ad Hitlerum'' versucht, die negativen Assoziationen zur Person Adolf Hitlers auch auf die Person des Streitgegners zu übertragen und ihn so in Misskredit zu bringen, handelt es sich zusätzlich um ein ''argumentum ad hominem''.
== Definition ==
{{lang|la|Reductio ad Hitlerum}} ist eine Form des Assoziationsfehlschlusses. Das Argument lautet, dass eine Politik zu einer Politik führt, die von Adolf Hitler oder Nazi-Deutschland befürwortet oder umgesetzt wurde, oder mit dieser identisch ist, und somit "beweist", dass die ursprüngliche Politik unerwünscht ist. Eine andere Art von {{lang|la|reductio ad Hitlerum}} ist das Stellen einer Frage der Form "Weißt du, wer sonst noch...?" mit der bewussten Absicht, eine bestimmte Idee oder Handlung in Frage zu stellen, indem unterstellt wird, dass Hitler diese Idee hatte oder eine solche Handlung durchgeführt hat.


== Beispiel ==
Ein Vergleich mit Hitler oder dem Nationalsozialismus ist kein {{lang|la|reductio ad Hitlerum}}, wenn er ein Argument erhellt und nicht davon ablenkt. Direkte Vergleiche können verwendet werden, um faschistische Komponenten des Nationalsozialismus wie das Führerprinzip zu kritisieren. Man könnte aber auch fälschlicherweise behaupten, dass, weil Hitler auf Fleisch verzichtete oder gegen das Rauchen war, jeder andere, der dies tut, ein Nazi ist.
Jemand setzt sich für den Tierschutz ein. Ein anderer lehnt dies mit der alleinigen Begründung ab, dass auch Adolf Hitler sich für den Tierschutz eingesetzt habe.


An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine von den meisten Menschen als negativ empfundene Person durchaus Ansichten vertreten kann, die überwiegend als positiv empfunden werden. Der zugrunde liegende Fehlschluss wird umso deutlicher, je größer die Diskrepanz zwischen diesen beiden Bewertungen ist. Die reductio ad Hitlerum ist daher am effektivsten, wenn die abzulehnende Ansicht möglichst negativ besetzt ist, etwa aufgrund fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz.
== Geschichte ==
Der Ausdruck {{lang|la|reductio ad Hitlerum}} wurde erstmals in einem Artikel des [[University of Chicago]]-Professors [[Leo Strauss]] für ''Measure: A Critical Journal'' im Frühjahr 1951. Berühmt wurde er jedoch in einem 1953 erschienenen Buch von Strauss, ''Natural Right and History'', Kapitel II:


== Kontext ==
<blockquote>
Wenn wir diese Bewegung bis zu ihrem Ende verfolgen, kommen wir unweigerlich an einen Punkt, hinter dem die Szene durch den Schatten Hitlers verdunkelt wird. Es versteht sich leider nicht von selbst, dass wir bei unserer Untersuchung den Trugschluss vermeiden müssen, der in den letzten Jahrzehnten häufig als Ersatz für die {{lang|la|reductio ad absurdum}} verwendet wurde: die {{lang|la|reductio ad Hitlerum}}. Eine Ansicht wird nicht dadurch widerlegt, dass sie zufällig von Hitler geteilt wurde.
</blockquote>


Die Phrase wurde von Strauss in seiner Diskussion von Max Webers Forderung der Werturteilsfreiheit in den Sozialwissenschaften eingeführt. Nach Weber soll Wissenschaft auf Wertaussagen und Empfehlungen, insbesondere Vorgaben für die Politik, verzichten, da es keine nachweisliche Wertehierarchie gebe, sondern eine Vielfalt miteinander gleichrangiger und in Konflikt stehender Werte, die das Handeln bestimmen. Diesen Konflikt könne die Wissenschaft nur aufzeigen und bestenfalls beantworten, wie ein ''vorgegebener'' Wert zu verwirklichen wäre – eine Aussage über letzte Zwecke z.&nbsp;B. einer Institution oder des Handels hingegen kann sie nicht wahrheitsgemäß treffen. Nach Weber sei vor dem Urteil des Verstandes jede Bevorzugung eines bestimmten Wertes – wie schlecht, gemein oder auch immer er sei – ebenso legitim wie jede andere Präferenz, oder ebenso illegitim. Strauss versucht, Webers Haltung als Kombination der Wertethik des Neukantianismus mit den Gedanken des Historismus zu rekonstruieren. Dem Historismus zufolge sollen historische Erscheinungen nur jeweils im Wertsystem ihrer eigenen Zeit beurteilt werden und sollen von einer absoluten Perspektive aus jedoch als gleichrangig angesehen werden.
Der Satz wurde aus dem logischen Argument, der [[Reductio ad absurdum]], abgeleitet. Die Variante {{lang|la|argumentum}} hat ihre Form von den Namen vieler klassischer Trugschlüsse wie {{lang|la|argumentum ad hominem}}. Die {{lang|la|ad Nazium}}-Variante lässt sich weiter humorvoll von {{lang|la|[[Ad nauseam|argumentum ad nauseam]]}} ableiten.


Zu Beginn dieser Untersuchung warnt Strauss:
== Grenzen der Klassifizierung als Trugschluss ==
{{Zitat
Der Historiker Daniel Goldhagen, der über den Holocaust geschrieben hat, argumentiert, dass nicht alle Vergleiche mit Hitler und dem Nationalsozialismus logische Trugschlüsse sind, denn wenn sie es wären, könnte man aus den Ereignissen, die zum Holocaust führten, nichts lernen. In seinem Buch "Hitlers willige Henker" argumentiert er, dass viele Menschen, die am Holocaust und später an faschistischen und neonazistischen Bewegungen beteiligt waren, die historische Darstellung manipuliert haben, um sich der Schuld zu entziehen oder Aspekte des Holocausts zu leugnen. Die Behauptung, der Vorwurf des Antisemitismus sei eine "reductio ad Hitlerum", wurde auch von David Irving, einem britischen Holocaust-Leugner, aufgestellt.
| Text        = Unfortunately, it does not go without saying that in our examination we must avoid the fallacy that in the last decades has frequently been used as a substitute for the ''reductio ad absurdum'': the ''reductio ad Hitlerum''. A view is not refuted by the fact that it happens to have been shared by Hitler.
| Autor      = Leo Strauss
| Quelle      = ''Natural Right and History'', 1953
| Übersetzung = Unglücklicherweise ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass man in unserer Untersuchung den Fehlschluss vermeiden muss, der in den letzten Jahrzehnten häufig gezogen worden ist, als ein Ersatz für die ''reductio ad absurdum'': die ''reductio ad Hitlerum''. Eine Ansicht wird nicht durch die Tatsache widerlegt, dass sie zufällig von Hitler geteilt worden ist.
| lang        = en
| ref        =
}}
Strauss bezieht sich damit auf das Ergebnis seiner Analyse: Für Weber steht der moderne Mensch vor einer Entscheidung zur Hingabe entweder an bloß extrinsische Zwänge (empirische Bedürfnisse, technische Probleme, Markterfordernisse) oder an denjenigen intrinsischen Wert, den er in sich selbst vorfindet. Ersteres führe dazu, dass die höchste Erfüllung des Lebens das bloße Spezialistentum bzw. die perfektionierte Befriedigung von Begierden würde, das letztere zu einer Hingabe an den einen oder anderen Wert, zwischen denen die Wissenschaft (als Instanz der Wahrheit, nicht der Werte) selbst keine Entscheidung treffen kann. Diese Dichotomie und daraus folgende scheinbare Beliebigkeit ist nach Strauss aber auch eine Annahme, die der Nationalsozialismus mit Weber teilt und als Grundlage zur Herleitung seiner Ideologie verwendet.


Es kann infrage gestellt werden, inwiefern der Gedanke Webers von Strauss korrekt wiedergegeben wird. Tatsächlich ging Weber (etwa in ''Wissenschaft als Beruf'') davon aus, dass Wissenschaftler sich außerhalb der Wissenschaft durchaus an gesellschaftlich relevanten Debatten beteiligen können – aber nicht ''ex cathedra'', sondern als Mitglieder dieser Gesellschaft, die in Werturteilsfragen keinen besonderen Zugang zur Wahrheit besitzen. Zudem ist es nach Weber der Wissenschaft bei aller Enthaltung von Bewertungen nach wie vor freigestellt, die Plausibilität und Faktizität der Aussagen anderer zu überprüfen, ohne das Ergebnis moralisch zu bewerten. Weber hatte eher die Gefahr einer Instrumentalisierung der Wissenschaft im Auge und die Gefahr, dass sich Forschung und Publikation, wenn sie sich in den Kontext einer politischen Agenda stellen, als nicht auf die Wahrheit, sondern auf deren Interessen gerichtet angreifbar machen.
Im Jahr 2000 behauptete Thomas Fleming, dass die ''reductio ad Hitlerum'' von seinen Gegnern gegen seine Werte verwendet werde:
<blockquote>
Leo Strauss nannte es die {{lang|la|reductio ad Hitlerum}}. Wenn Hitler die neoklassische Kunst mochte, bedeutet das, dass der Klassizismus in jeder Form nazistisch ist; wenn Hitler die deutsche Familie stärken wollte, macht das die traditionelle Familie (und ihre Verteidiger) nazistisch; wenn Hitler von der "Nation" oder dem "Volk" sprach, dann ist jede Beschwörung von Nationalität, Ethnizität oder sogar Volkstum nazistisch ...
</blockquote>


Strauss selbst kommt in seiner Untersuchung zu Webers Werk schließlich zu dem Schluss, dass Weber aus seiner These eben nicht einen moralischen Nihilismus der Beliebigkeit herleitet, sondern auf einen formalen Imperativ abzielt, sich persönlich für bestimmte Werte zu entscheiden. Daraus folgt als gesellschaftlich ideales Modell keine Willkürherrschaft und kein Totalitarismus, sondern ein Pluralismus miteinander verbundener, aber an unterschiedlichen Werten orientierter Personen, was sich auch besser mit Webers Selbstverortung im Liberalismus vereinbaren lässt.
== Antecedents ==
Obwohl er nach Hitler benannt wurde, gab es den logischen Trugschluss schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Andere Personen der Geschichte wurden als Stellvertreter für das Böse verwendet. Der Autor Tom Holland vergleicht die Verwendung Hitlers als Maßstab für das Böse mit früheren Beschwörungen des Teufels (z. B. der Phrase "Deal with the Devil"). Im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert galt der Pharao aus dem Buch Exodus gemeinhin als die bösartigste Person der Geschichte. In den Jahren vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg bezeichneten die Abolitionisten die Sklavenhalter als moderne Pharaonen. Nach dem VE Day tauchte der Pharao weiterhin in den Reden von Sozialreformern wie [[Martin Luther King Jr.]] Auch Judas Iskariot und Pontius Pilatus wurden gemeinhin als das Böse schlechthin dargestellt. Es gab jedoch keine allgemeingültige Hitler-ähnliche Person, und je nach Region und Zeit wurden unterschiedliche Stellvertreter verwendet. In den Jahren nach der amerikanischen Revolution wurde König Georg III. in den Vereinigten Staaten oft verunglimpft. Der Vergleich "King George" wurde erst 1992 von Pat Buchanan öffentlich verwendet, als er sich im Zuge des US-Präsidentschaftswahlkampfes auf Präsident [[George H. W. Bush]] bezog. Während des amerikanischen Bürgerkriegs nannten einige Konföderierte Lincoln einen "modernen Pharao".


== Verwendung bei Haffner ==
== Anrufungen ==
Der deutsche Publizist Sebastian Haffner verwendete 1978 eine analoge Argumentation in seinen ''Anmerkungen zu Hitler'' im Kapitel ''Irrtümer''. Er warnte vor einer Geisteshaltung, die bedenkenlos jeden Aspekt der Weltanschauung Hitlers aufgrund der Tatsache verdammt, dass es gerade Hitler war, der diese Gedanken gehegt habe, da andernfalls {{"|das Richtige in Gefahr ist, tabuisiert zu werden, nur weil es auch Hitler gedacht hat. Aber zweimal zwei bleibt vier, obwohl Hitler zweifellos zugestimmt hätte.|ref=}}


== Weblinks ==
1991 erhob Michael André Bernstein {{lang|la|reductio ad Hitlerum}} Anklage gegen eine ganzseitige Anzeige in der ''[[New York Times]]'', die von der Lubawitsch-Gemeinde nach den Unruhen in Crown Heights unter der Überschrift "Dieses Jahr fand die ‚‘Kristallnacht‚‘ am 19. August genau hier in Crown Heights statt" geschaltet wurde. Henry Schwarzschild, der die ''Kristallnacht'' miterlebt hatte, schrieb an die ''New York Times'', dass "wie hässlich auch immer die antisemitischen Parolen und das angriffslustige Verhalten der Menschen auf den Straßen [während der Unruhen in Crown Heights] waren ... eine Sache, die eindeutig nicht stattfand, war eine ‚‘Kristallnacht‚‘".
* [https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/HitlerAteSugar Umfängliche Auflistung des Vorkommens des Arguments als Motiv in populären Medien] auf der Plattform TVTropes (engl.)


{{SORTIERUNG:Reductio Ad Hitlerum}}
The American Conservative'' beschuldigte Jonah Goldbergs Buch ''Liberal Fascism'', den {{lang|la|reductio}} Trugschluss zu verwenden:
<blockquote>Dass der Nationalsozialismus und der zeitgenössische Liberalismus beide eine gesunde Lebensweise fördern, ist eine ebenso bedeutungslose Feststellung wie die, dass Bloody Marys und Martinis beide mit Gin hergestellt werden können. Wiederholt versäumt es Goldberg, eine {{lang|la|reductio ad absurdum}} zu erkennen. ... In keinem Fall deckt Goldberg etwas Unheilvolleres als einen Zufall auf.</blockquote>
 
Da Hitler gegen das Rauchen war, beriefen sich einige in der Tabakindustrie auf dieses Argument, um diejenigen, die gegen das Rauchen sind, mit Nazis zu vergleichen.
 
== Externe Links ==
* {{cite news|url=https://www.bbc.co.uk/news/10618638|title=Is it ever OK to call someone a Nazi?|publisher=BBC News|date=14 July 2010}}
* [http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-60763.html Mit Hitler und der Geschichte spielen] - Diashow von ''Der Spiegel''
* [http://www.huffingtonpost.com/lincoln-mitchell/mike-huckabees-ireducto-a_b_3033369.html Mike Huckabee's reductio ad Hitlerum, Lincoln Mitchell, April 7, 2013]
* {{cite journal|last1=Harris|first1=Adam J. L.|last2=Hsu|first2=Anne S.|last3=Madsen|first3=Jens K.|title=Because Hitler did it! Quantitative tests of Bayesian argumentation using ad hominem|url=http://www.ucl.ac.uk/lagnado-lab/publications/harris/Harris_Hsu_Madsen_2012.pdf|journal=Thinking & Reasoning|volume=18|issue=3|pages=311–343|publisher=Psychology Press|access-date=14 January 2015|location=London, UK|doi=10.1080/13546783.2012.670753|date=11 June 2012|s2cid=15921519}}
* {{cite book|last1=Scalambrino|first1=Frank|chapter=Reductio ad Hitlerum|title=Bad Arguments|year=2018|pages=212–214|doi=10.1002/9781119165811.ch44|publisher=John Wiley & Sons|isbn=9781119165811|s2cid=171609352}}
 
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Aktuelle Version vom 4. Januar 2025, 13:30 Uhr

Adolf Hitler (1889–1945) in 1938

Die Reductio ad Hitlerum (lateinisch für "Reduktion auf Hitler"), auch bekannt als die Nazi-Karte spielen, ist ein Versuch, das Argument eines anderen mit der Begründung zu entkräften, dass dieselbe Idee von Adolf Hitler oder der Nazipartei gefördert oder praktiziert wurde. Argumente können als reductio ad Hitlerum bezeichnet werden, wenn sie irreführend sind (z. B. die Behauptung, dass jeder, der Fleisch isst oder raucht, ein Nazi ist, weil Hitler dies nicht getan hat). Im Gegensatz dazu fallen einfache Argumente, die spezifisch faschistische Komponenten des Nationalsozialismus kritisieren, wie das Führerprinzip, nicht unter den Assoziationsirrtum.

Der reductio ad Hitlerum wurde 1953 von Leo Strauss erfunden und hat seinen Namen von dem in der Logik verwendeten Begriff reductio ad absurdum ("Reduktion auf das Absurde"). Nach Strauss ist reductio ad Hitlerum eine Art von ad hominem, ad misericordiam oder ein Irrelevanztrugschluss. Die vorgeschlagene Begründung ist die einer Schuld durch Assoziation. Es handelt sich um eine Taktik, die häufig verwendet wird, um Argumente zu entgleisen, da solche Vergleiche dazu neigen, den Gegner abzulenken und zu verärgern.

Definition

Reductio ad Hitlerum ist eine Form des Assoziationsfehlschlusses. Das Argument lautet, dass eine Politik zu einer Politik führt, die von Adolf Hitler oder Nazi-Deutschland befürwortet oder umgesetzt wurde, oder mit dieser identisch ist, und somit "beweist", dass die ursprüngliche Politik unerwünscht ist. Eine andere Art von reductio ad Hitlerum ist das Stellen einer Frage der Form "Weißt du, wer sonst noch...?" mit der bewussten Absicht, eine bestimmte Idee oder Handlung in Frage zu stellen, indem unterstellt wird, dass Hitler diese Idee hatte oder eine solche Handlung durchgeführt hat.

Ein Vergleich mit Hitler oder dem Nationalsozialismus ist kein reductio ad Hitlerum, wenn er ein Argument erhellt und nicht davon ablenkt. Direkte Vergleiche können verwendet werden, um faschistische Komponenten des Nationalsozialismus wie das Führerprinzip zu kritisieren. Man könnte aber auch fälschlicherweise behaupten, dass, weil Hitler auf Fleisch verzichtete oder gegen das Rauchen war, jeder andere, der dies tut, ein Nazi ist.

Geschichte

Der Ausdruck reductio ad Hitlerum wurde erstmals in einem Artikel des University of Chicago-Professors Leo Strauss für Measure: A Critical Journal im Frühjahr 1951. Berühmt wurde er jedoch in einem 1953 erschienenen Buch von Strauss, Natural Right and History, Kapitel II:

Wenn wir diese Bewegung bis zu ihrem Ende verfolgen, kommen wir unweigerlich an einen Punkt, hinter dem die Szene durch den Schatten Hitlers verdunkelt wird. Es versteht sich leider nicht von selbst, dass wir bei unserer Untersuchung den Trugschluss vermeiden müssen, der in den letzten Jahrzehnten häufig als Ersatz für die reductio ad absurdum verwendet wurde: die reductio ad Hitlerum. Eine Ansicht wird nicht dadurch widerlegt, dass sie zufällig von Hitler geteilt wurde.

Der Satz wurde aus dem logischen Argument, der Reductio ad absurdum, abgeleitet. Die Variante argumentum hat ihre Form von den Namen vieler klassischer Trugschlüsse wie argumentum ad hominem. Die ad Nazium-Variante lässt sich weiter humorvoll von argumentum ad nauseam ableiten.

Grenzen der Klassifizierung als Trugschluss

Der Historiker Daniel Goldhagen, der über den Holocaust geschrieben hat, argumentiert, dass nicht alle Vergleiche mit Hitler und dem Nationalsozialismus logische Trugschlüsse sind, denn wenn sie es wären, könnte man aus den Ereignissen, die zum Holocaust führten, nichts lernen. In seinem Buch "Hitlers willige Henker" argumentiert er, dass viele Menschen, die am Holocaust und später an faschistischen und neonazistischen Bewegungen beteiligt waren, die historische Darstellung manipuliert haben, um sich der Schuld zu entziehen oder Aspekte des Holocausts zu leugnen. Die Behauptung, der Vorwurf des Antisemitismus sei eine "reductio ad Hitlerum", wurde auch von David Irving, einem britischen Holocaust-Leugner, aufgestellt.

Im Jahr 2000 behauptete Thomas Fleming, dass die reductio ad Hitlerum von seinen Gegnern gegen seine Werte verwendet werde:

Leo Strauss nannte es die reductio ad Hitlerum. Wenn Hitler die neoklassische Kunst mochte, bedeutet das, dass der Klassizismus in jeder Form nazistisch ist; wenn Hitler die deutsche Familie stärken wollte, macht das die traditionelle Familie (und ihre Verteidiger) nazistisch; wenn Hitler von der "Nation" oder dem "Volk" sprach, dann ist jede Beschwörung von Nationalität, Ethnizität oder sogar Volkstum nazistisch ...

Antecedents

Obwohl er nach Hitler benannt wurde, gab es den logischen Trugschluss schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Andere Personen der Geschichte wurden als Stellvertreter für das Böse verwendet. Der Autor Tom Holland vergleicht die Verwendung Hitlers als Maßstab für das Böse mit früheren Beschwörungen des Teufels (z. B. der Phrase "Deal with the Devil"). Im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert galt der Pharao aus dem Buch Exodus gemeinhin als die bösartigste Person der Geschichte. In den Jahren vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg bezeichneten die Abolitionisten die Sklavenhalter als moderne Pharaonen. Nach dem VE Day tauchte der Pharao weiterhin in den Reden von Sozialreformern wie Martin Luther King Jr. Auch Judas Iskariot und Pontius Pilatus wurden gemeinhin als das Böse schlechthin dargestellt. Es gab jedoch keine allgemeingültige Hitler-ähnliche Person, und je nach Region und Zeit wurden unterschiedliche Stellvertreter verwendet. In den Jahren nach der amerikanischen Revolution wurde König Georg III. in den Vereinigten Staaten oft verunglimpft. Der Vergleich "King George" wurde erst 1992 von Pat Buchanan öffentlich verwendet, als er sich im Zuge des US-Präsidentschaftswahlkampfes auf Präsident George H. W. Bush bezog. Während des amerikanischen Bürgerkriegs nannten einige Konföderierte Lincoln einen "modernen Pharao".

Anrufungen

1991 erhob Michael André Bernstein reductio ad Hitlerum Anklage gegen eine ganzseitige Anzeige in der New York Times, die von der Lubawitsch-Gemeinde nach den Unruhen in Crown Heights unter der Überschrift "Dieses Jahr fand die ‚‘Kristallnacht‚‘ am 19. August genau hier in Crown Heights statt" geschaltet wurde. Henry Schwarzschild, der die Kristallnacht miterlebt hatte, schrieb an die New York Times, dass "wie hässlich auch immer die antisemitischen Parolen und das angriffslustige Verhalten der Menschen auf den Straßen [während der Unruhen in Crown Heights] waren ... eine Sache, die eindeutig nicht stattfand, war eine ‚‘Kristallnacht‚‘".

The American Conservative beschuldigte Jonah Goldbergs Buch Liberal Fascism, den reductio Trugschluss zu verwenden:

Dass der Nationalsozialismus und der zeitgenössische Liberalismus beide eine gesunde Lebensweise fördern, ist eine ebenso bedeutungslose Feststellung wie die, dass Bloody Marys und Martinis beide mit Gin hergestellt werden können. Wiederholt versäumt es Goldberg, eine reductio ad absurdum zu erkennen. ... In keinem Fall deckt Goldberg etwas Unheilvolleres als einen Zufall auf.

Da Hitler gegen das Rauchen war, beriefen sich einige in der Tabakindustrie auf dieses Argument, um diejenigen, die gegen das Rauchen sind, mit Nazis zu vergleichen.

Externe Links

  • "Is it ever OK to call someone a Nazi?". BBC News. 14 Juli 2010.
  • Mit Hitler und der Geschichte spielen - Diashow von Der Spiegel
  • Mike Huckabee's reductio ad Hitlerum, Lincoln Mitchell, April 7, 2013
  • Harris, Adam J. L.; Hsu, Anne S.; Madsen, Jens K. (11 Juni 2012). "Because Hitler did it! Quantitative tests of Bayesian argumentation using ad hominem" (PDF). Thinking & Reasoning. 18 (3). London, UK: Psychology Press: 311–343. doi:10.1080/13546783.2012.670753. S2CID 15921519. Retrieved 14 Januar 2015.
  • Scalambrino, Frank (2018). "Reductio ad Hitlerum". Bad Arguments. John Wiley & Sons. pp. 212–214. doi:10.1002/9781119165811.ch44. ISBN 9781119165811. S2CID 171609352.