Reinhard Mohn
Reinhard Mohn (29. Juni 1921 - 3. Oktober 2009) war ein deutscher Milliardär, Geschäftsmann und Philanthrop. Unter seiner Führung entwickelte sich Bertelsmann, einst ein 1835 gegründetes mittelständisches Druck- und Verlagshaus, zu einem globalen Medienkonzern. Im Jahr 1977 gründete er die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung, die heute eine der größten Stiftungen in Deutschland mit weltweiter Ausstrahlung ist.
Mohn erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz und den Prinz-von-Asturien-Preis Spaniens.
Leben
Hintergrund
Der 1921 als fünftes Kind von Agnes Mohn (geb. Seippel) und Heinrich Mohn geborene Reinhard repräsentierte die fünfte Generation der Gesellschafterfamilien von Bertelsmann. Sein Großvater Johannes Mohn hatte 1887 die Leitung des Druck- und Verlagshauses von seinem Schwiegervater Heinrich Bertelsmann, dem Sohn von Carl Bertelsmann, übernommen.
Aufgewachsen in einer streng protestantischen Familie, machte Mohn 1939 sein Abitur am Evangelisch Stiftischen Gymnasium Gütersloh und absolvierte anschließend den Reichsarbeitsdienst. Danach meldete er sich freiwillig zum Militärdienst bei der Luftwaffe, ursprünglich mit dem Ziel, Pilot zu werden. Nach dem Dienst in einem Fliegerhorstkommando an der Westfront wurde Mohn bei einer Flakeinheit stationiert, wo er vom Gefreiten zum Unteroffizier aufstieg und 1942 den Rang eines Leutnants erreichte. Von Frankreich aus wurde sein Regiment über Italien nach Tunesien verlegt. Am 5. Mai 1943 geriet Mohn in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde Mitte Juni über den Atlantik nach Camp Concordia gebracht, einem Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene in Kansas. Nach Mohns Schilderungen wurde er durch diese Erfahrung tiefgreifend beeinflusst; so begann er zum Beispiel zum ersten Mal, amerikanische Managementliteratur zu lesen.
Im Januar 1946 kehrte Reinhard Mohn nach Gütersloh zurück. Sein ältester Bruder, Hans Heinrich Mohn, war 1939 gestorben, sein zweitältester Bruder, Sigbert Mohn, war noch in Kriegsgefangenschaft. Reinhard machte zunächst eine Lehre als Buchhändler und trat später in das väterliche Geschäft ein. Sein Vater, Heinrich Mohn, war ins Visier der britischen Besatzungsbehörden geraten, weil er Fördermitglied der SS war, weil er an andere NS-Organisationen gespendet hatte und aus anderen Gründen. Im April 1947 übertrug Heinrich Mohn seine Verlagslizenz an seinen Sohn Reinhard, der den Verlag fortan leitete.
Familie
Im Jahr 1948 heiratete Mohn Magdalene Raßfeld, die er noch aus seiner Schulzeit kannte. Das Paar hatte drei Kinder: Johannes, Susanne und Christiane; sie ließen sich 1982 scheiden. Im selben Jahr heiratete Mohn Elisabeth Scholz, mit der er seit den 1950er Jahren eine Affäre hatte und in den 1960er Jahren drei Kinder zeugte. Nach der Hochzeit adoptierte Mohn ihre drei gemeinsamen Kinder: Brigitte, Christoph und Andreas.
Karriere
Bertelsmann
1947 übernahm Mohn die Leitung des durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten C. Bertelsmann Verlags. Er gründete 1950 den Buchclub Bertelsmann Lesering, der die Grundlage für das schnelle Wachstum des Unternehmens in den folgenden Jahrzehnten bildete. Von Anfang an band er die Mitarbeiter eng ein, z.B. durch das 1951 eingeführte Darlehensbeteiligungsprogramm. 1969 führte er ein Modell der Mitarbeiterbeteiligung ein, das bundesweit als vorbildlich gilt. Als Unternehmer war Mohn konsequent bestrebt, das traditionelle Verlagsgeschäft zu einem Medienkonglomerat auszubauen: So stieg er in die Musik- und Filmproduktion ein, investierte in das Zeitschriftengeschäft und trieb die internationale Expansion voran. Eine in den Jahren 1969/70 geplante Fusion von Bertelsmann mit dem Axel-Springer-Konzern kam nicht zustande.
Im Jahr 1971 wandelte Mohn das Familienunternehmen in eine Aktiengesellschaft um. Damit schuf er eine weitere strukturelle Voraussetzung für den Aufstieg von Bertelsmann zu einem der führenden Medienkonzerne der Welt. Mohn wurde Vorstandsvorsitzender und setzte in dieser Position eine partnerschaftliche Unternehmenskultur fort, deren wesentlicher Bestandteil der Dialog zwischen Management und Mitarbeitern ist. 1976 ließ er eine neue Konzernzentrale bauen, in der Bertelsmann auch heute noch seinen Hauptsitz hat. In dieser Zeit begann Mohn auch den Einstieg in das für Bertelsmann so wichtige US-Verlagsgeschäft. Mit dem Erwerb von Bantam Books (1977/1980) und Doubleday (1986) entstand die damals größte Fachbuchverlagsgruppe in den USA.
1981 wechselte Mohn vom Vorstand in den Aufsichtsrat, dessen Vorsitz er weitere zehn Jahre innehatte, wobei er weiterhin in das operative Geschäft eingebunden blieb. Mit 70 Jahren legte er schließlich sein Amt nieder, blieb aber Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates. Von nun an widmete er sich vor allem der Bertelsmann Stiftung. 1999 übertrug Mohn die alleinige Kontrolle über die Stimmrechte von rund 90 % der Bertelsmann-Aktien auf die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft, um die Kontinuität seines Unternehmens zu sichern.
Bertelsmann Stiftung
1977 gründete Mohn die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung, die zunächst mit einem Kapital von 100.000 D-Mark ausgestattet war. Mohn vertrat das managementgeleitete Konzept einer operativ tätigen Stiftung, die eigenständig Projekte entwickelt und betreut. Er veranlasste die Bertelsmann Stiftung, sich an der Verbesserung der Gütersloher Stadtbibliothek zu beteiligen und stiftete den Carl-Bertelsmann-Preis (heute Reinhard-Mohn-Preis).
In den 1980er Jahren wurde die Bertelsmann Stiftung zum Schwerpunkt des bürgerschaftlichen Engagements von Mohn. Im Jahr 1993 wurde die Mehrheit der Bertelsmann-Anteile auf die Stiftung übertragen, so dass die Bertelsmann Stiftung zum größten Anteilseigner des Konzerns wurde. Kapitalanteile und Stimmrechte wurden im Schenkungsvertrag strikt getrennt, so dass weder die Stiftung noch der Konzern einen wesentlichen beherrschenden Einfluss auf den jeweils anderen ausüben können.
In den 1990er Jahren stockte Mohn das Budget der Bertelsmann Stiftung massiv auf. Neben Projekten in Deutschland förderte er auch Projekte in Spanien, wie die Fundació Biblioteca d'Alcúdia Can Torró auf Mallorca. 1995 gründete er die Fundación Bertelsmann, heute mit Sitz in Barcelona und Madrid, als unabhängige Tochterstiftung, die sich für die Förderung der dualen Ausbildung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit einsetzt. Die 2008 gegründete Bertelsmann Foundation North America mit Sitz in Washington, D.C., beschäftigt sich unter anderem mit der transatlantischen Zusammenarbeit.
In den Anfangsjahren war der Gründer alleiniger Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Im Jahr 1979 wurde ein Geschäftsführer eingestellt, ab 1983 wurde Mohn durch einen Beirat unterstützt, 1993 wurde auch der Vorstand erweitert. Nach 1998 zog sich Mohn aus der Geschäftsführung zurück: Zunächst legte er den Vorsitz der Geschäftsführung nieder, ein Jahr später auch den Vorsitz des Beirats. Infolge mehrerer struktureller und personeller Veränderungen übernahm Mohn von Ende 2000 bis Mitte 2001 erneut den kommissarischen Vorsitz der beiden Gremien der Bertelsmann Stiftung, bis er von Gunter Thielen als Vorstandsvorsitzender abgelöst wurde. Im Jahr 2004 schied er endgültig aus dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung aus, blieb aber als Stifter satzungsgemäß bis zu seinem Tod im Jahr 2009 Mitglied des Kuratoriums.
Ehrungen (Auswahl)
1981: Ehrenbürger der Stadt Gütersloh
1987: Freund der Stadt Jerusalem, verliehen auf der Jerusalemer Buchmesse
1992: Aufnahme in die symbolische Hall of Fame des Manager Magazins
1994: Kommandeurskreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1996: Europäischer Stifterpreis (ein europäischer Kulturpreis)
1996: Ehrenmitglied des Club of Rome
1997: Schumpeter-Preis
1998: Ritterkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1998: Prinz-von-Asturien-Preis
1998: Goldmedaille des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen
1998: Integrationspreis der Apfelbaum Stiftung
1998: Hanns-Martin-Schleyer-Preis
1999: Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen
1999: Spanisches Großkreuz des Zivilverdienstordens
2000: Bernhard-Harms-Medaille
2000: Jakob-Fugger-Medaille
2001: Ehrendoktorwürde der Universität Münster
2002: Zukunftspreis der CDU-Sozialausschüsse
2003: Teddy Kollek Award der Jerusalem Foundation
2005: Ehrenbürgerin der Stadt Alcúdia, Mallorca
2007: Deutscher Unternehmerpreis für sein Lebenswerk
2010 (postmortal): Goldmedaille der Balearischen Inseln
Veröffentlichte Werke
Seit Ende der 1980er Jahre war Reinhard Mohn auch journalistisch als Essayist und Sachbuchautor tätig. Er schrieb mehrere Bücher und Zeitschriftenartikel, in denen er sich mit Themen aus Gesellschaft und Wirtschaft auseinandersetzte. Im Jahr 1985 veröffentlichte er einen Essay zum Thema "Eitelkeit im Leben der Führungskraft", in dem er das Urbild einer egozentrischen Managerklasse anprangerte. Mit seinen Äußerungen zu diesem Thema löste Mohns Sichtweise immer wieder Kontroversen aus. Mit der weltweiten Veröffentlichung seines Buches "Erfolg durch Partnerschaft" legte er 1986 die Grundsätze der Unternehmenskultur bei Bertelsmann fest. In "Humanity Wins", erschienen im Jahr 2000, plädierte er nachdrücklich für einen partnerschaftlichen Führungsstil als Paradigma einer modernen Organisationsstruktur. "Ein Zeitalter der neuen Möglichkeiten" aus dem Jahr 2001 definierte einen Ordnungsrahmen, der im Kern vom Unternehmertum geprägt ist. Als letztes Werk erschien 2008 "A Global Lesson", in dem Mohn die prägenden Elemente seines eigenen Lebens autobiografisch aufarbeitet. Es entstand in Zusammenarbeit mit der Autorin Andrea Stoll, die auch das Drehbuch zu dem Film "Es müssen mehr Köpfe ans Denken kommen" von Roland Suso Richter schrieb. Dieser Film war das Geschenk des Bertelsmann-Vorstandes an Mohn zu seinem 85. Geburtstag im Jahr 2006.
Sonstiges
Anlässlich des 70. Geburtstags von Reinhard Mohn stiftete der Bertelsmann-Vorstand 1991 einen Reinhard-Mohn-Stiftungslehrstuhl für Unternehmensführung, Wirtschaftsethik und gesellschaftliche Evolution an der privaten Universität Witten/Herdecke.
Im Jahr 2006 gründete Mohn die Reinhard Mohn Stiftung, eine gleichnamige Stiftung, die seit 2010 von seinem Sohn Christoph Mohn geleitet wird. Nach dem Tod des Seniors Mohn erwarb die Stiftung Anteile an Bertelsmann, die Reinhard Mohn über eine Zwischengesellschaft gehalten hatte.
Im Jahr 2010 ehrte die Universität Witten/Herdecke Mohn mit der Gründung eines Instituts für Unternehmensführung und Corporate Governance, dem heutigen Reinhard-Mohn-Institut für Management. Es beherbergt auch den 1991 gestifteten Reinhard-Mohn-Lehrstuhl für Management sowie zwei Professuren, eine für Strategie und Organisation und eine für Forschung.
Im Jahr 2011 hat die Bertelsmann Stiftung erstmals den Reinhard Mohn Preis verliehen, der die Tradition des Carl Bertelsmann Preises fortführt und weiterentwickelt. Mit dieser Auszeichnung werden international renommierte Persönlichkeiten für zukunftsweisende Lösungen gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen geehrt.
Kritik
Mohn wurde für seinen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit von Bertelsmann kritisiert. Nachdem in den 1990er Jahren Fragen nach der Rolle des Unternehmens im Dritten Reich aufkamen, setzte Bertelsmann mit Unterstützung von Mohn eine unabhängige Historikerkommission ein, die die Verstrickung in die NS-Zeit aufarbeiten sollte. Die Kommission legte 2002 ihren Abschlussbericht vor und stellte fest, dass die jahrzehntelange Darstellung der angeblichen Beteiligung an einem Widerstandsverlag nicht belegt werden konnte. Im Gegenteil: Bertelsmann war der größte Buchproduzent für die Wehrmacht.
Im Jahr 2010 kritisierte der Autor und Journalist Thomas Schuler eine "steuersparende Verflechtung" zwischen Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung. Die von Mohn aufgebauten Strukturen hätten seiner Familie Milliarden an Erbschaftssteuer erspart. Diese Steuer wäre aber nach der damals herrschenden Rechtsauffassung nicht geschuldet gewesen.