Rudolf Scharping
Rudolf Albert Scharping (geboren am 2. Dezember 1947) ist ein deutscher Jurist und Politiker der Sozialdemokratischen Partei (SPD). Er war von 1991 bis 1994 der 6. Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und von 1998 bis 2002 Bundesverteidigungsminister in der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Von 1993 bis 1995 war Scharping auch Bundesvorsitzender der SPD. Bei der Bundestagswahl 1994 war er Kanzlerkandidat. Von März 1995 bis Mai 2001 war er Vorsitzender der Partei der Europäischen Sozialisten (SPE).
Frühes Leben und Ausbildung
Scharping wurde in Niederelbert geboren. Er studierte Politik, Soziologie und Jura an der Universität Bonn. Seine Magisterarbeit schrieb er über sozialdemokratische Wahlkampftechniken in Rheinland-Pfalz. Er spricht Englisch.
Politische Karriere
Karriere in der Landespolitik
Scharping trat 1966 in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ein. Von 1975 bis 1994 war er Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags. Vom 21. Mai 1991 bis zum 15. Oktober 1994 amtierte er als Ministerpräsident des Landes.
Karriere in der nationalen Politik
Von 1993 bis 1995 war Scharping als Nachfolger von Björn Engholm Vorsitzender der SPD. In einer internen Abstimmung setzte er sich gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul durch. Zu diesem Zeitpunkt war er der jüngste Vorsitzende in der Geschichte seiner Partei. Während seiner Amtszeit versuchte er, die Partei in Richtung der christdemokratischen Mitte zu führen.
Bei den Wahlen 1994 kandidierte Scharping als SPD-Kanzlerkandidat gegen Amtsinhaber Helmut Kohl (CDU). Als Teil seiner Kampagne nahm er seine langjährigen Rivalen Schröder und Oskar Lafontaine in sein Schattenkabinett auf. Er machte die soziale Gerechtigkeit zum Kernstück seiner Kampagne. Während des gesamten Wahlkampfs weigerte er sich, vor der Wahl über mögliche Koalitionspartner zu sprechen, aber die Umweltschützer von Bündnis 90/Die Grünen wurden allgemein als der wahrscheinlichste Partner seiner Partei angesehen.
Im März 1994 lag Scharping in den Umfragen mit 15 Punkten Vorsprung vor Kohl. Er verlor und wurde Oppositionsführer; sein Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten wurde Kurt Beck. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion gehörte er auch dem Richterwahlausschuss an, der für die Ernennung der Richter des Bundesverfassungsgerichts zuständig ist.
Scharping wurde später von Oskar Lafontaine in einer Kampfabstimmung auf dem Bundesparteitag in Mannheim als SPD-Vorsitzender abgewählt. Stattdessen wurde er noch im selben Jahr zu einem der fünf stellvertretenden Vorsitzenden gewählt und 1997, 1999 und 2001 wiedergewählt.
Verteidigungsministerin, 1998-2002
Vom 27. Oktober 1998 bis zum 18. Juli 2002 war Scharping deutscher Verteidigungsminister in der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Während seiner Amtszeit beteiligte sich die Bundeswehr zum ersten Mal seit 1945 an einem Krieg außerhalb Deutschlands im ehemaligen Jugoslawien. Scharping verteidigte das deutsche Engagement mit dem Hufeisenplan, der sich später als wahrscheinliche Fälschung herausstellte. Teile der deutschen Bevölkerung bezweifelten die Vereinbarkeit der militärischen Methoden, zum Beispiel der NATO-Bombardierung Jugoslawiens, mit dem Grundgesetz.
1999 setzte Scharping eine von der Regierung eingesetzte unabhängige Kommission unter Leitung des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ein, die Empfehlungen zur Reform der Bundeswehr erarbeiten sollte.
Im Juli 1999 galt Scharping weithin als Spitzenkandidat für das Amt des neuen NATO-Generalsekretärs; er lehnte es jedoch ab, für dieses Amt nominiert zu werden.
In der später als Mallorca-Affäre bezeichneten Angelegenheit ließ sich Scharping mit seiner Freundin Kristina Gräfin Pilati im Schwimmbad fotografieren, während die Bundeswehr vor einem schwierigen Einsatz in der Republik Mazedonien stand. In der Folge wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren im Bundestag eingeleitet, weil er Pilati mit Militärflugzeugen auf Mallorca und in Frankfurt besucht haben soll.
Vor den Wahlen 2002 entließ Schröder Scharping, nachdem das Wochenmagazin Stern berichtet hatte, dass er 1998 und 1999, als er noch Minister war, rund 71.000 Dollar von einer Frankfurter PR-Firma angenommen hatte.
Nach seiner Entlassung als Verteidigungsminister zog Scharping seine Kandidatur zur Wiederwahl als stellvertretender Vorsitzender zurück, da seine Chancen gering waren. Sein Nachfolger wurde erneut Kurt Beck. Er behielt sein Bundestagsmandat, kandidierte aber bei der Wahl 2005 nicht mehr. Für den Rest seiner Amtszeit gehörte er von 2002 bis 2015 dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten an.
Kontroverse
1968 wurde Scharping von der SPD für ein Jahr ausgeschlossen, weil er sich an einer antimilitärischen Demonstration gegen ein Benefizkonzert für das deutsche Militärorchester beteiligt hatte.
Während eines Besuchs bei US-Verteidigungsminister William Cohen im Jahr 2000 wurde Scharping verletzt und musste kurzzeitig ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem eine stählerne Sicherheitsbarriere unter seiner Wagenkolonne bei der Ankunft zu einer Ehrung im Pentagon aufgesprungen war.
Im Jahr 2001 wurde Scharping von Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld öffentlich kritisiert, als sich herausstellte, dass er die Quelle eines Berichts war, wonach die Vereinigten Staaten im Rahmen der Terrorismusbekämpfung in Somalia intervenieren würden.
Politische Positionen
Als Vorsitzender der SPD sprach sich Scharping gegen den Euro aus, der Deutschland eine schwächere Währung als die D-Mark bescheren würde.
Das Leben nach der Politik
Nach seinem Ausscheiden aus der Politik gründete Scharping sein eigenes Unternehmen mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsförderung in China. Scharping ist ein leidenschaftlicher Radfahrer; 2005 wurde er Vorsitzender des Bundes Deutscher Radfahrer. Darüber hinaus übernahm er verschiedene bezahlte und unbezahlte Ämter, unter anderem als Mitglied des Kuratoriums der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP). Er ist Senior Network Member beim European Leadership Network (ELN).