Stephan Schmidheiny

Aus Das unsichtbare Imperium

Stephan Ernst Schmidheiny (geboren am 29. Oktober 1947) ist ein Schweizer Geschäftsmann, Industrieller und Philanthrop. Er ist ein prominentes Mitglied der Familie Schmidheiny. Im Jahr 2023 wurde sein Nettovermögen von der Handelszeitung auf 3,75 Milliarden Dollar geschätzt. Er ist auch dafür bekannt, dass er wegen seiner Rolle im italienischen Asbestskandal verurteilt wurde.

Frühes Leben und Ausbildung

Stephan Ernst Schmidheiny wurde am 29. Oktober 1947 in Balgach, Schweiz, als Sohn von Max Schmidheiny und Adda Schmidheiny (geb. Scherrer; gest. 1997) geboren. Er entstammt in vierter Generation einer der bedeutendsten Industriellenfamilien der Schweiz. Schmidheiny schloss 1972 sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich mit dem Doktorat ab.

Karriere

Eternit / Ausstieg aus Asbest, Nachdenken und Rechtsstreitigkeiten

Stephan Schmidheiny begann seine berufliche Laufbahn 1972 bei Eternit. Im Jahr 1976, im Alter von 29 Jahren, wurde er zum CEO der Schweizer Eternit-Gruppe ernannt. Nach Angaben seines Bruders Thomas Schmidheiny beschloss ihr Vater Max Schmidheiny, sein Industrieimperium in zwei Hälften aufzuteilen: Asbest für Stephan, Zement für Thomas. Infolge dieser Aufteilung der Aktivitäten erbte Stephan Schmidheiny Eternit.

Laut seiner offiziellen Biografie beendete er 1986 die Verwendung von Asbest in der Firma. Fünf Jahre zuvor, 1981, hatte Schmidheiny, der damalige Vorstandsvorsitzende, die Absicht von Eternit verkündet, vollständig auf die Herstellung und den Vertrieb von Asbest zu verzichten, weit vor dem europaweiten Asbestverbot von 2005. In der Folge arbeitete Eternit an der Entwicklung und Finanzierung von Forschungsarbeiten zur Entwicklung neuer Fasermischungen als Ersatz für Asbest. 1984 wurde ein Großteil der Eternit-Produkte asbestfrei hergestellt.

Aufgrund seiner Verstrickung in die Industriedynastie seiner Familie und trotz seiner Bemühungen, aus dem Asbestgeschäft auszusteigen, ist Stephan Schmidheiny seit 2009 in Italien in zwei Prozesse verwickelt, einen wegen Umweltkatastrophe und einen weiteren wegen fahrlässiger Tötung, die beide im Zusammenhang mit dem Einsatz von Asbest in den Eternit-Werken stehen. Im ersten Prozess wurde Stephan Schmidheiny am 13. Februar 2012 zu 16 Jahren Haft verurteilt. Am 3. Juni 2013 wurde das Urteil vom Turiner Berufungsgericht nicht nur bestätigt, sondern auch auf 18 Jahre Haft wegen Umweltschädigung erhöht. Im November 2014 wurde entschieden, dass die Verjährung eingetreten sei. 2014 wurde Schmidheiny vom Vorwurf des fahrlässigen Verhaltens in Italien freigesprochen. 2015 begann ein zweiter Prozess mit dem Namen "Eternit Bis", Stephan Schmidheiny verteidigte sich gegen den Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Am 29. November 2016 wurden die in "Eternit Bis" erhobenen Vorwürfe vom Gericht in Turin abgewiesen und das Verfahren eingestellt. Einige Gerichtsverfahren wegen fahrlässiger Tötung sind noch möglich, z.B. in Vercelli, Reggio Emilia, Neapel sowie in Turin

Schmidheiny hat betont, dass sein Engagement bei der Eternit-Gruppe lange vor der Erkenntnis der Gesundheitsrisiken von Asbest und lange vor dem Verbot der Produktion in Italien lag; dieses Verbot erfolgte erst 1992. In einem Interview im Jahr 2015 gab er zu, dass die Belastung durch das Gerichtsverfahren in Italien ihn sehr getroffen habe. Später empfand er das Verfahren jedoch als absurd, insbesondere nachdem ein italienischer Richter ihn mit Hitler und sein Handeln mit der "Endlösung" verglichen hatte. Neben den erwähnten Gerichtsverfahren richtete Stephan Schmidheiny in Südafrika und Italien Fonds für Asbestopfer ein, da es in diesen Ländern keine Nachfolgegesellschaft von Eternit gab, die die finanziellen Folgen der Asbestexposition tragen konnte.

Verurteilt wegen schweren Totschlags

Im Mai 2019 wurde Stephan Schmidheiny, der ehemalige Mehrheitsaktionär des italienischen Asbestunternehmens Eternit Genova, von einem Turiner Gericht wegen des Todes von zwei Arbeitern zu vier Jahren Haft verurteilt.

Das Urteil ist die jüngste Wendung in einem jahrzehntelangen Streit zwischen Schmidheiny, der italienischen Regierung, ehemaligen Eternit-Arbeitern und Anwohnern der Asbestwerke des Unternehmens. Staatsanwalt Gianfranco Colace sagte, das Urteil sei der "erste Schritt", um einen Präzedenzfall für Todesfälle durch Krebs und Lungenkrankheiten zu schaffen, die sich erst Jahre nach dem Kontakt mit Asbestfasern entwickeln können.

Im Jahr 2023 wurde er wegen schweren Totschlags zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt, weil 392 Menschen in Casale Monferrato ums Leben gekommen waren.

Andere Engagements

Während Schmidheiny sich aus der Asbestproduktion und Eternit zurückzog, investierte er in neue Industriesegmente und baute ein multinationales Beteiligungskonglomerat auf, indem er Unternehmen in den Bereichen Forstwirtschaft, Banken, Konsumgüter, Energieerzeugung sowie elektronische und optische Geräte hinzufügte. Er trat auch in die Verwaltungsräte von führenden Unternehmen wie ABB Asea Brown Boveri, Nestlé, Swatch und UBS AG ein.

1985 unterstützte Schmidheiny Nicolas Hayek bei seinem Kaufangebot für die Schweizer Uhrenholding Société de Microélectronique et d'Horlogerie (SMH), was zur Rettung der Schweizer Uhrenindustrie führte. Aus dieser wertvollen Allianz ging später die heutige Swatch Group hervor.

Als Ankeraktionär von Brown, Boveri & Cie (BBC) organisierte Schmidheiny 1987 die Fusion von BBC mit der schwedischen ASEA mit. Daraus entstand der neu positionierte Marktführer in seinem Segment, ASEA Brown Boveri, heute bekannt als ABB Group.

1987 übernahm er zwei Drittel des Kapitals von Landis + Gyr von den Familiengesellschaftern, da diese keinen Nachfolger für die Führung stellen konnten. Schmidheiny war sich dabei bewusst, dass grosse Veränderungen notwendig waren, da es dem Unternehmen nicht gut ging. Schmidheiny strukturierte das Unternehmen um. Im Jahr 1995 wurde das Unternehmen von der Schweizer Firma Elektrowatt übernommen.

Philanthropie

Philanthropische Bestrebungen waren Schmidheiny schon immer wichtig, und seit den 1990er Jahren hat er sein Leben diesen Bestrebungen gewidmet. Schmidheiny ist ein Verfechter und Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Er war Berater für Nachhaltigkeit bei den Vereinten Nationen und bei der OECD.

In den 1980er Jahren gründete er FUNDES, eine Organisation, die die Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen in mehreren lateinamerikanischen Ländern unterstützt. Jüngsten Berichten aus der Schweiz zufolge begann Schmidheiny 1982 mit dem Kauf von chilenischem Waldland und besitzt nun über 120.000 Hektar in Südchile, in der Nähe von Concepción, Land, das nach Angaben der Mapuche-Indianer seit jeher ihnen gehört. Die Mapuche behaupten, ein Teil des von Schmidheiny gekauften Landes sei ihnen während der Pinochet-Diktatur gestohlen worden, und zwar mit den üblichen Methoden des Regimes wie Einschüchterung, Folter und Mord.

Forbes setzte Schmidheiny 2019 auf die Liste der weltweit grosszügigsten Philanthropen ausserhalb der USA.

Rio-Gipfel 1992

1990 wurde Schmidheiny zum Chefberater für Wirtschaft und Industrie des Generalsekretärs der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) ernannt, besser bekannt als der Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992. Die Konferenz fand 1992 statt, und 172 Regierungen nahmen daran teil.

Als Chefberater dieser Konferenz schuf Schmidheiny ein Forum, in dem führende Geschäftsleute aus allen Teilen der Welt eine Geschäftsperspektive zu den Herausforderungen von Umwelt und Entwicklung entwickelten. Aus diesem Forum ging später der World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) hervor, eine Organisation, der heute die 160 wichtigsten Unternehmen der Welt angehören. Schmidheiny wurde in Anerkennung seiner Pionierrolle beim Ausstieg aus der Produktion asbesthaltiger Baumaterialien zum Ehrenvorsitzenden gewählt.

Nach seiner Teilnahme am Rio-Gipfel verfasste Schmidheiny das Buch Change of Course: Global Business Prospects for Development and the Environment", das 1992 bei MIT Press erschien. Sein Buch bietet eine umfassende Analyse darüber, wie Unternehmen die nachhaltige Entwicklung zu ihrem Schwerpunkt machen können, und wurde in fünfzehn Sprachen übersetzt. Er hat auch einen Beitrag zu Financing Change: The Financial Community, Eco-efficiency, and Sustainable Development, ebenfalls bei MIT Press erschienen.

AVINA-Stiftung

In den 1990er Jahren gründete Schmidheiny die Fundación AVINA , die durch die Förderung produktiver Allianzen zwischen sozialen und wirtschaftlichen Akteuren zur nachhaltigen Entwicklung in Lateinamerika beiträgt und heute eine führende Rolle in diesem Bereich einnimmt.

Schmidheinys Stiftung leistete Pionierarbeit für ein südamerikanisches Mikrofinanzsystem nach dem Vorbild von Muhammad Yunus, dessen weithin gepriesenes System den Bürgern von Bangladesch zugute kommt. Stephan Schmidheiny hat durch sein karitatives Engagement in Südamerika über eine Milliarde US-Dollar für die Region gespendet.

Nach der Gründung von VIVA Trust im Jahr 2003 zog sich Schmidheiny von allen seinen Führungsaufgaben zurück, auch von seinen Positionen bei GrupoNueva und AVINA.

Andere Philanthropie

1993 gründete Schmidheiny im Andenken an seinen 1992 verstorbenen Bruder Alexander aus dessen Nachlass die Alexander Schmidheiny Stiftung. Diese Stiftung ist im St. Galler Rheintal tätig.

Schmidheiny unterstützt Kunst und Kultur durch eine Reihe von Initiativen. Er hat die Kunstsammlung seines verstorbenen Bruders Alexander, die Daros Collection, aufgebaut und erweitert. Die Daros Collection mit Sitz in Zürich ist eine umfangreiche Sammlung nordamerikanischer und europäischer Kunst aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Stephan ist Mitarbeiter des Zürcher Kammerorchesters und anderer wichtiger Kulturinstitutionen.

In Gstaad wollen er und seine Frau Victoria ein neues Kulturzentrum namens Les Arts Gstaad bauen.

Auf der Website von Schmidheiny findet sich eine eigene Rubrik über seine "philanthropischen Aktivitäten" und eine weitere über sein Engagement für "ökologische Effizienz".

Nach Angaben der Fundacion MarViva war Schmidheiny massgeblich an der Gründung dieser Organisation beteiligt, die wissenschaftliche Forschung mit öffentlichem Engagement für die Förderung des marinen Lebensraums in der Nähe und im Thermal Dome von Costa Rica verbindet und in Costa Rica, Panama und Kolumbien vertreten ist.

Auszeichnungen

Schmidheiny erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen in Anerkennung seiner Führungsqualitäten und seines Beitrags zur nachhaltigen Entwicklung.

So erhielt er 1993 die Ehrendoktorwürde des Instituto Centroamerica de Administración de Empresas (INCAE), Costa Rica, und die gleiche Ehrendoktorwürde 1996 von der Yale University sowie 2001 vom Rollins College, Florida, und der Katholischen Universität Andrés Bello (UCAB), Caracas.

Im Jahr 2001 erhielt Schmidheiny den internationalen Zayed-Umweltpreis für "Umweltmaßnahmen, die zu einem positiven Wandel in der Gesellschaft führen".

Im Jahr 2007 wurde Schmidheiny im Rahmen des PODER Green Forum mit einem Philanthropiepreis ausgezeichnet.

Persönliches Leben

Stephan Schmidheiny war von 1974 bis 2002 mit Ruth Schmidheiny (Geschäftsführerin der Daros Latinamerica AG von 1974 bis 2002) verheiratet. Er hat mit Ruth einen Sohn und eine Tochter und lebt heute in Hurden, Schweiz. Seit 2012 ist er mit Dr. Viktoria Schmidheiny-Werner verheiratet.